Weizen

„Der Mensch lebt nicht von Brot allein“ – so lautet eine tiefschürfende philosophische Bemerkung. Doch es sieht ganz danach aus, als habe die Menschheit in ihrer Mehrheit überhaupt niemals von Brot gelebt oder zumindest von dem Brot, wie wir es heute kennen. Viele Menschen vertragen keinen Weizen, doch einem Großteil wird dies gar nicht bewusst, weil sich die Auswirkungen dieser Unverträglichkeit nicht immer durch leicht erkennbare Symptome offenbaren. Weizenproteine enthalten einen beträchtlichen Anteil an Gluten und Gliadin – Proteine, die sich auch in zahlreichen anderen Getreidesorten finden. Aber die Kreuzreaktivität des Immunsystems ist gegenüber Weizengliadin wesentlich ausgeprägter als gegenüber jenem anderer Getreide. Gluten- und Gliadinüberempfindlichkeit spielt für eine gesunde Verdauungstätigkeit eine nicht unerhebliche Rolle.

Bei der Hälfte – also vollen 50 Prozent – aller Menschen, die über Verdauungsprobleme klagen, sind Antikörper gegen Gliadin im Serum nachweisbar. Die Mehrheit, das heißt 9 von 10 Personen mit Glutenunverträglichkeit, deren Probleme man im Rahmen von Familien- beziehungsweise Reihenuntersuchungen auf die Spur kam, haben trotz nachweislich geschädigter Darmschleimhaut keinerlei Beschwerden.

Das als Weizenkeim-Agglutinin bezeichnete Weizenlektin stellt für viele Menschen ein schwerwiegendes, wenn auch weithin unerkanntes Ernährungsproblem dar. Wie die meisten Nahrungslektine widersetzt sich Weizenkeim-Agglutinin der Aufspaltung und übt zudem einen metabolischen und hormonalen Effekt aus.

Dieses Lektin ahmt die Wirkung von Insulin auf den Insulinrezeptor nach und ist folglich eines der am häufigsten verwendeten Moleküle bei der wissenschaftlichen Untersuchung der Dynamik des Insulinstoffwechsels. Obwohl in der Molekularbiologie ein anerkanntes Faktum, erscheint es mir doch merkwürdig, dass offenbar niemand über die tatsächliche Bedeutung eines solchen Phänomens nachdenkt. So existiert beispielsweise eine Studie, der zufolge etwa 20 Prozent der Patienten mit insulinabhängigem Diabetes mellitus (IDDM) Antikörper gegen das Weizenkeimlektin in ihrem Blut aufweisen.

Ihre Anfälligkeit für die negativen Auswirkungen des Weizenkeim-Agglutinins hängt von Ihrer Blutgruppe ab. Manches deutet darauf hin, dass das im Darm vorhandene Typ-A-Antigen sich an das Weizenkeim-Agglutinin bindet und damit Secretoren der Blutgruppen A und AB in die Lage versetzt, die Effekte des Weizenkeimlektins abzuschwächen. Dies geschieht, indem das Lektin an das freie Blutgruppen-Antigen im Verdauungssaft gebunden wird, noch ehe es irgendwelchen Schaden anrichten kann. Im Falle von Non-Sekretoren wäre dies nicht möglich.

 

Quelle: Buch „4 Blutgruppen – Richtig leben“, von Dr. D´Adamo